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Am 24. Oktober 2024 stand beim Civic Coding-Schlaglicht in Kooperation mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) das Thema „Nachhaltige Mobilität für alle“ im Mittelpunkt. Anlass war das neue Mobilitätsdatengesetz, das eine wichtige Grundlage für die Bereitstellung und Nutzung von Mobilitätsdaten schafft. Gemeinsam mit Expert*innen diskutierten wir die Auswirkungen des Mobilitätsdatengesetzes auf die nachhaltige Mobilität, die Möglichkeiten der zivilgesellschaftlichen Teilhabe und das Potenzial innovativer KI-Anwendungen.
Dr. Julian Stubbe von der Civic Coding-Geschäftsstelle moderierte den virtuellen Austausch und führte durch die Veranstaltung mit Beiträgen von:
Über folgende Leitfragen sprachen und diskutierten wir mit den Expert*innen:
Frank Krüger eröffnete das Schlaglicht mit einem Impuls zum Mobilitätsdatengesetz, welches am 2. Oktober vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Er wies darauf hin, dass dies nicht das erste Gesetz ist, das Mobilitätsdaten regelt. Bereits das Personenbeförderungsgesetz und die dazugehörige Mobilitätsdatenverordnung enthielten Verpflichtungen zur Bereitstellung von Daten. Neu sei jedoch, dass nun auch europäische Vorgaben in Kraft treten, die über die bisherigen Regelungen hinausgehen.
Mobilitätsdaten umfassen sowohl statische Daten wie Baustellenstandorte oder Fahrpläne, als auch dynamische Echtzeitdaten, die aktuelle Informationen über Verspätungen oder die Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln bereitstellen.
Das Gesetz zielt darauf ab, die Mobilitätsdaten kostenlos für alle Nutzer*innen bereitzustellen, um einen Mehrwert für Bürger*innen, Unternehmen und andere Organisationen zu schaffen. Die Daten sollen z. B. von Verkehrsunternehmen, Mobilitätsdienstleistern und Infrastrukturbetreibern stammen und Echtzeitinformationen wie Parkplatzverfügbarkeit, barrierefreie Zugänge oder die Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln umfassen. Damit werden auch Aspekte gesellschaftlicher Teilhabe erleichtert.
„Die Erarbeitung des Gesetzes war ein umfangreicher Prozess. Wir haben uns entschieden, nicht als Verwaltung vorzugeben, was getan werden muss, sondern die Nutzer*innen aktiv einzubeziehen. [...] Zahlreiche Kommunen und Datenbereitsteller wurden in diesen Prozess integriert, und so ist ein Gesetz entstanden, das eine Vielzahl von Aspekten abbildet.“
Frank Krüger, Leiter der Unterabteilung Datenpolitik und digitale Innovationen im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV)
Die Zusammenarbeit zwischen Ländern, Kommunen und Datenanbietern ist zudem entscheidend, um die Datenqualität zu gewährleisten. Aus diesem Grund ist ein weiteres Anliegen des Gesetzes die Einrichtung einer Koordinierungsstelle, die den Austausch zwischen den Datenlieferanten und den Behörden verbessern soll. Diese Stelle wird auch Leitlinien zu Datenstandards und Datenqualität entwickeln. Außerdem wurde ein Sanktionsmechanismus eingeführt, der bei Verstößen Zwangsgelder vorsieht.
Das Mobilitätsdatengesetz bildet einen entscheidenden Rahmen für die umfassende Nutzung von Verkehrsdaten und eröffnet vielfältige Möglichkeiten für verschiedene Akteur*innen, sich aktiv einzubringen. Unternehmen, Behörden und andere Datenanbieter haben die Chance, Mobilitätsdaten über den nationalen Zugangspunkt (Mobilithek) bereitzustellen. Auf der anderen Seite können Nutzer*innen aus Wirtschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft die bereitgestellten Daten kostenfrei für kommerzielle und nicht-kommerzielle Zwecke nutzen.
Eine bessere Verfügbarkeit von Mobilitätsdaten ermöglicht bessere Verkehrslösungen, was wiederum den Bürger*innen zugutekommt. Verlässliche und flächendeckende Daten ermöglichen beispielsweise eine optimierte Verkehrsplanung, aber auch genauere Analysen zur Standortplanung von Ladestationen oder die Untersuchung der Auswirkungen von Baustellen auf das Verkehrsverhalten. So lassen sich Prognosen entwickeln, die auch die gesellschaftliche Akzeptanz neuer Mobilitätslösungen berücksichtigen.
Thorsten Koska weist jedoch auch darauf hin, dass gute Mobilitätslösungen auch von der Datenqualität abhängen. Die Erfahrung zeigt, dass Mobilitätsdaten nicht alle Aspekte erfassen und „Blindspots“ aufweisen, insbesondere bei Bevölkerungsgruppen, die weniger digitale Geräte oder Mobilitäts-Apps nutzen, wie z. B. Kinder oder ältere Menschen. Daher muss inklusive Verkehrsplanung die Grenzen der Datenerfassung berücksichtigen, um sicherzustellen, dass alle gesellschaftlichen Bedürfnisse im Mobilitätskonzept abgebildet werden.
„Mobilitätsdaten bieten viele Potenziale, aber es gibt auch Aspekte, die nicht immer vollständig abgebildet werden. Es ist wichtig, diese Perspektiven zu berücksichtigen und sich ihrer bewusst zu sein, um das volle Potenzial der Daten für nachhaltige Mobilität zu nutzen.“
Thorsten Koska, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik am Wuppertal Institut
Frank Krüger hob hervor, dass Bürger*innen auch selbst aktiv zu einer besseren Datenqualität beitragen können. Über den nationalen Zugangspunkt können Bürger*innen künftig fehlerhafte Daten, wie etwa falsche Haltestellenpositionen, melden.
KI-Anwendungen können die Nutzung der Mobilitätsdaten erleichtern, indem sie große Datenmengen analysieren und Muster erkennen. In einer ersten Stufe können die Daten bereits als Trainingsdaten für KI genutzt werden. Frank Krüger erklärt in diesem Kontext, dass die durch das Mobilitätsdatengesetz entstehenden Daten keine personenbezogenen Informationen von Handys sind, sondern von den Verkehrsträgern bereitgestellt werden.
Dr. Ilka Dubernet hob hervor, dass KI-basierte Standortanalysen und Echtzeit-Routing entscheidend zur Verkehrseffizienz beitragen können. Das DLR nutzt diese Anwendungen bereits in Projekten wie der Wahl optimaler Ladestationen-Standorte und dem Baustellenmonitoring. Auf Nachfrage aus dem Publikum bestätigte sie, dass KI-Anwendungen auch bei der gezielten Optimierung von Mobilitätsdiensten, wie zum Beispiel Mitfahrgelegenheiten, nützlich sein können. Dabei kann die KI die Nachfrage und das Angebot effizient aufeinander abstimmen, um die Auslastung privater Fahrzeuge zu verbessern.
Zusätzlich hebt Dr. Dubernet hervor, wie wichtig es ist, neben den Mobilitätsdaten auch andere Daten zu berücksichtigen, um die Mobilitätsdienste weiterzuentwickeln. In diesem Zusammenhang trägt KI zur Förderung gesellschaftlicher Teilhabe bei, indem sie die Zugänglichkeit und Effizienz von Mobilitätslösungen für alle Bevölkerungsgruppen verbessert.
„Als sozialwissenschaftlich orientiertes Institut spielt die Nachfrage der Gesellschaft eine zentrale Rolle in unseren Analysen und Datenerhebungen. Wir nutzen KI-Methoden, um Verkehrsverhalten zu analysieren und wertvolle Informationen aus Textdaten in Foren und sozialen Medien zu gewinnen. Durch generative KI gestalten wir Konzepte für neue Verkehrsmittel und erheben, was Menschen, insbesondere Kinder, im Verkehr benötigen.“
Dr. Ilka Dubernet, Leiterin der Abteilung Verkehrsmärkte und Raumfahrt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Die neue Koordinierungsstelle hat die Aufgabe, die Qualität und Einheitlichkeit der Mobilitätsdaten sicherzustellen. Sie wird eng mit Ländern, Kommunen und Datenanbietern zusammenarbeiten, um Standards und Leitlinien für die Datenqualität zu entwickeln. Die Koordinierung übernimmt die Bundesanstalt für Straßenwesen, während das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben überwacht. Bei Verzögerungen kann das BALM Zwangsgelder verhängen, um Anreize für die Datenanbieter zu schaffen. Die kostenfreie Bereitstellung der Daten ermöglicht Unternehmen, aber genauso der Zivilgesellschaft eine leichtere Nutzung und fördert verbesserte Informationsdienste. Durch die enge Zusammenarbeit von Koordinierungsstelle und BALM wird eine standardisierte und qualitativ hochwertige Bereitstellung von Mobilitätsdaten sichergestellt, die ihre Integration in Anwendungen erleichtert.
„Wir benötigen eine Koordinierungsstelle – in unserem Fall ist das die Bundesanstalt für Straßenwesen –, die den Dialog mit den Ländern führt. Viele Daten werden schließlich über die Länder und Kommunen bereitgestellt. Wir sprechen mit den einzelnen Datenbereitstellern und machen sie darauf aufmerksam, welche Informationen zur Verfügung gestellt werden sollten, in welchem Standard und in welcher Taktung, insbesondere bei Echtzeitdaten.“
Frank Krüger, Leiter der Unterabteilung Datenpolitik und digitale Innovationen im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV)
Das Mobilitätsdatengesetz verbessert die Datengrundlage, schafft einen einheitlichen Standard und erhöht die Zugänglichkeit von Mobilitätsdaten. Diese Daten können dann als Grundlage für die Verkehrssteuerung sowie die Entwicklung innovativer Mobilitätsdienste genutzt werden. Dadurch wird die Entwicklung bürger*innennaher Mobilitätslösungen gefördert und der Austausch von Daten für Forschung und Verkehrsoptimierung erleichtert.
Dennoch ist das Gesetz derzeit nur ein Rahmen und stellt den Anfang eines umfassenden Prozesses dar. Wie schnell die Umsetzung erfolgt, in welchem Umfang die Daten genutzt werden und welche konkreten Potenziale sich daraus entwickeln, bleibt abzuwarten. Erst wenn die Daten einheitlich bereitgestellt werden, wird sich zeigen, wie sie die Entwicklung neuer Mobilitätslösungen und die Zusammenarbeit zwischen den Akteur*innen fördern können. Hier besteht also Raum für eine bedürfnisorientierte gesellschaftliche Ausgestaltung.
In Bezug auf die gesellschaftliche Teilhabe hebt Krüger hervor, dass das Gesetz gezielt Informationen zur Barrierefreiheit berücksichtigt. Dies kann die Mobilität von Menschen mit Behinderungen erheblich verbessern und somit zu einer inklusiveren Gesellschaft beitragen. Zudem erhalten Bürger*innen generell besseren Zugang zu Mobilitätsinformationen, was die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel erleichtert und die Teilhabe am öffentlichen Leben fördert.
„Wir sehen hier einen klaren Mehrwert für die Bürger*innen, da sie sowohl mittelbar als auch unmittelbar Informationen darüber erhalten, wo sich Parkplätze befinden und welche Zugangsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen zur Verfügung stehen. Dadurch wird die barrierefreie Mobilität gewährleistet.“
Frank Krüger, Leiter der Unterabteilung Datenpolitik und digitale Innovationen im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV)
Nach dem Kabinettsbeschluss am 2. Oktober 2024 beginnt nun der politische Prozess. Parallel zum parlamentarischen Prozess plant das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, eine Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern abzuschließen. Diese soll konkretisieren, welche Austauschformate etabliert werden und wie die praktische Umsetzung erfolgen soll.
Die Veranstaltung zeigte das Potenzial des Mobilitätsdatengesetzes auf, zu einer nachhaltigen Verkehrswende beizutragen und damit die gesellschaftliche Teilhabe zu stärken. Ein einheitlicher Standard für die Datenqualität und eine kostenfreie Zugänglichkeit für alle Akteur*innen sollen die Vorteile der Digitalisierung im Mobilitätssektor bestmöglich ausschöpfen. Die Rolle der Zivilgesellschaft bleibt dabei zentral: Sie soll nicht nur als Datenkonsumentin, sondern auch als Mitgestalterin des Mobilitätsdatenprozesses eingebunden werden.
Auch der Forschung bieten einheitliche Daten einen erheblichen Mehrwert. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Mobilitätsdaten nur bestimmte Aspekte der Realität und unserer Gesellschaft abbilden. Daher ist es wichtig, auch zusätzliche Forschungsansätze jenseits der Daten zu verfolgen, um umfassendere Erkenntnisse zu gewinnen.
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Die kommenden Civic Coding-Veranstaltungen bieten weitere Gelegenheiten, aktuelle Themen rund um Künstliche Intelligenz (KI) und das Gemeinwohl zu diskutieren, wobei der Fokus vor allem auf den Rahmenbedingungen liegt. Im Civic Coding-Schlaglicht „Code of Conduct“ am 28.11.2024 beleuchten wir gemeinsam mit Expert*innen, wie Regulierungen wie der AI Act und selbstverpflichtende Kodizes zusammenwirken können, um eine gemeinwohlorientierte Entwicklung und Nutzung von KI zu fördern.
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