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Das Civic Coding-Schlaglicht „AI Support Actions“ am 12.09.2024 drehte sich um die Frage, wie lösungs- und wirkungsorientierte Unterstützungsstrukturen für gemeinwohlorientierte KI geschaffen werden können. Solche Strukturen müssten der Zivilgesellschaft Möglichkeiten geben, Innovationen durch KI-Anwendungen zu initiieren. Neben der Unterstützung konkreter Vorhaben ist es wichtig, die Entwicklung von Innovationsökosystemen zu fördern.
In den letzten Jahren ist in dieser Hinsicht bereits viel passiert: Neue Förderprogramme unterstützen gemeinwohlorientierte Projekte und innovative Technologien (z. B. im Rahmen des europäischen AI Innovation Package). Dennoch erscheinen Unterstützungsstrukturen nicht für alle Akteur*innen passend, um Potenziale vollständig auszuschöpfen und die vielfältigen Bedürfnisse des Gemeinwohlsektors zu adressieren. Oftmals fehlen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen die finanziellen Ressourcen und das technische Know-how, um von diesen Strukturen zu profitieren und Projekte umzusetzen. Hinzu kommt, dass die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteur*innen notwendig ist, um Regulierungen und Unterstützungsangebote gemeinwohlorientiert auszugestalten und umzusetzen.
Vor diesem Hintergrund diskutierten wir mit Experten in unserer Online-Veranstaltung, wie Unterstützungsstrukturen besser auf zivilgesellschaftliche Akteur*innen zugeschnitten und nachhaltig gestaltet werden können.
Dr. Julian Stubbe von der Civic Coding-Geschäftsstelle moderierte den virtuellen Austausch mit Beiträgen von:
Über folgende Leitfragen sprachen und diskutierten wir mit den Experten:
Aus der Sicht von Martin Hullin seien hier verschiedene Bereiche entscheidend: Zum einen sei die technische Unterstützung relevant. Zivilgesellschaftliche Akteur*innen benötigen Expertise in diesem Bereich und das Wissen darüber, was KI-Systeme können und was nicht. Zudem gehe es um relevante Partnerschaften und die interdisziplinäre Zusammenarbeit, also Multi-Stakeholder-Strukturen. Unterschiedliche Perspektiven und Kenntnisstände sollten auf Augenhöhe ausgetauscht werden. Dies sorge für eine De- Mystifizierung von KI, schaffe Vertrauen und baue Ängste ab, so Hullin. Zentrales Element der Unterstützungsmaßnahmen müsse darüber hinaus die Bereitstellung von Fördermitteln und Ressourcen sein, denn gerade an diesen mangele es besonders.
„Die Art und Weise, wie Mittel für gemeinwohlorientierte Unterstützungsstrukturen für KI zur Verfügung gestellt werden, muss effizienter werden.“
Martin Hullin, Direktor des Programms „Digitalisierung und Gemeinwohl“ der Bertelsmann Stiftung
Darüber hinaus müssen effizientere Entscheidungsstrukturen geschaffen werden, um Innovationen auch schneller umsetzen zu können, ergänzte Dr. Thomas Wollmann. Ein wichtiger Punkt sei für ihn die Schaffung von Räumen für Diskussion zwischen Akteur*innen aus allen Bereichen der Gesellschaft. Diese helfen dabei, gemeinsam Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu finden, die gerade mit der Beschleunigung der Automatisierung und KI einhergehen. Die Vernetzung in Ökosystemen sei von großem Wert für alle Beteiligten und schaffe Synergieeffekte zwischen den Akteur*innen. Daher habe Merantix Momentum den AI Campus in Berlin gegründet – einen physischen Co-Working-Ort an dem Universitäten, Start-Ups und Verbände zusammenarbeiten und sich austauschen können.
Zudem solle der Fokus auf Daten gelegt werden, so Wollmann. Auch die richtigen Incentivierungsstrukturen müssen geschaffen werden: Forschungslandschaft und Industrie sowie ganze Staaten sollten untereinander und mit der Allgemeinheit Daten teilen. Hier gebe es noch viel Entwicklungsbedarf.
Die Experten waren sich einig: Im Hinblick auf gemeinwohlorientierte Technologie habe Europa einen großen Wettbewerbsvorteil. Die Zivilgesellschaft spiele dabei eine große Rolle und sei keine Bremse in der Entwicklung, sondern viel mehr Innovationstreiberin. Umso wichtiger sei es, dass für sie die notwendigen Strukturen geschaffen werden.
„Über den KI-Hype hinauszublicken, hilft dabei, die richtigen Entscheidungen zu treffen und sich an den richtigen Stellen zu engagieren.“
Dr. Thomas Wollmann, CTO von Merantix Momentum
Zivilgesellschaftliche Akteur*innen haben es immer noch schwer, ihre Interessen bei KI-Entwicklungen geltend zu machen, da politische Entscheidungsprozesse oft auf verschiedene Ressorts verteilt seien und es an Mitgestaltungsoptionen mangele, berichtete Martin Hullin. Obwohl die Zivilgesellschaft teilweise vertreten sei, fehle es an einer echten Einbeziehung. Das könne so nicht bleiben, denn gerade auf übergeordneter Ebene sei die Mitgestaltung relevant.
„Wir beobachten, dass gerade zivilgesellschaftliche Akteur*innen häufig nicht über genug personelle Kapazitäten verfügen, um an allen entscheidenden Tischen mit dabei zu sitzen.“
Martin Hullin, Direktor des Programms „Digitalisierung und Gemeinwohl“ der Bertelsmann Stiftung
Ein Bereich, in dem zivilgesellschaftliche Akteur*innen jedoch noch Gehör finden und aktiv mitgestalten können, sei die Datendimension, so Hullin. Hier gebe es zahlreiche Initiativen und Plattformen, die den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Tech-Unternehmen fördern.
Die Bertelsmann Stiftung habe im Rahmen von Workshops einen praktischen Leitfaden entwickelt, wie KI gemeinwohlorientierte Organisationen unterstützen kann. Dabei gehe es beispielsweise auch darum, was es für die Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft und staatlichen Institutionen oder Tech-Unternehmen brauche. Damit wolle die Stiftung zivilgesellschaftlichen Akteur*innen die Mitgestaltung erleichtern und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für den Einsatz von KI für das Gemeinwohl an die Hand geben – vom Problem zur Anwendungsidee.
„Durch KI erleben wir eine Ära der Hyperindividualisierung. […] Diese Entwicklung sollte sich auch in den Beteiligungsstrukturen widerspiegeln.“
Dr. Thomas Wollmann, CTO von Merantix Momentum
Laut Dr. Thomas Wollmann gebe es schon jetzt Strukturen, die sehr gut seien, um an Entscheidungsprozessen zu partizipieren, etwa durch Petitionen, Verbände und Initiativen. Gleichzeitig werden bei Entscheidungs- und Mitwirkprozessen nur wenige Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft involviert. Dabei biete die Technologie die Möglichkeit, sehr viele Menschen zu befragen und einzubinden. Man könne etwa Daten von der Allgemeinheit sammeln und so Meinungen vieler Menschen einfangen, wie es beispielsweise im Rahmen des Projektes Open Assistant geschehen sei. Dabei habe eine Gruppe von Freiwilligen einen Datensatz gesammelt, um die Antworten von einem Chatbot zu bewerten. Es brauche weitere solcher Projekte, um die Hyperindividualisierung auch in den Prozess der Beteiligung einbringen zu können, argumentierte Wollmann. KI könne somit dabei helfen, die Meinungen von mehr Bürger*innen zu berücksichtigen.
Veranstaltungstipp: Im nächsten Civic Coding-Schlaglicht am 24.10.2024 behandeln wir das Thema „Nachhaltige Mobilität für alle – wie innovative KI-Anwendungen dabei unterstützen können“. Jetzt mehr erfahren!
Viele zivilgesellschaftliche Akteur*innen nutzen KI schon und können die weiteren Entwicklungen in diese Richtung kaum erwarten, so Hullin. Anderen hingegen fehle es noch an Kompetenzen und Verständnis im Zusammenhang mit KI. Es brauche nun die richtigen Räume und Formate, um diese Kompetenzen aufzubauen und auch anhand von konkreten Beispielen zu zeigen, was man mit KI machen kann und was nicht. Auch Dr. Thomas Wollmann ist der Ansicht, dass es schon jetzt viele gute Initiativen gebe, es aber noch an Wissenstransfer fehle. Ganz konkret würde es vielen Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft helfen, wenn es noch mehr AI-Hackathons oder ähnliche Formate gäbe, bei denen NGOs und andere Initiativen ihre konkreten Use Cases gemeinsam mit Expert*innen umsetzen können. Wenn solche Formate die Gesellschaft noch mehr durchdringen, würden mehr Menschen über gemeinwohlorientierte KI diskutieren und alle letztlich davon profitieren, so Wollmann.
„Es gibt schon jetzt ganz viele tolle KI-Initiativen für das Gemeinwohl, von denen ich einfach noch gern mehr Projekte sehen würde.“
Dr. Thomas Wollmann, CTO von Merantix Momentum
Ob die sich konkretisierende Regulierungslandschaft die zivilgesellschaftliche KI-Entwicklung und die Position zivilgesellschaftlicher Akteur*innen stärken wird, werde sich noch zeigen. Es komme laut Wollmann darauf an, wie genau der AI Act nun auf nationaler Ebene umgesetzt wird und wie die Zivilgesellschaft sich einbringen kann. Dabei seien insbesondere die Aufsichtsmechanismen relevant, ergänzte Hullin. Beim AI Act sei noch in der Diskussion, wie diese sich genau gestalten. Auch hier müsse sichergestellt sein, dass die Zivilgesellschaft mitsprechen kann.
Insgesamt waren sich die Experten einig, dass bestehende KI-Regulierungen und Unterstützungsstrukturen bereits genutzt werden. Hullin berichtete, dass unter anderem durch den KI-Hype vieles in Bewegung gekommen sei. Dennoch merke man eine Zersplitterung der Aktivitäten von Zivilgesellschaft, NGOs und öffentlichen Institutionen in diesem Bereich – auch deshalb, weil das Fundraising-Umfeld immer noch schwierig und die Gelder rar seien. Es solle laut Hullin mehr Ambitionen im Bereich der Unterstützungsstrukturen für gemeinwohlorientierte KI geben. Und dafür fehle es in Europa noch an einem großen Narrativ.
„Es fehlt an einem großen Narrativ: Was ist unsere Erzählung? Warum ist Gemeinwohl der Kern für die Gesellschaften, in denen wir innerhalb des technologischen Wandels leben möchten?“
Martin Hullin, Direktor des Programms „Digitalisierung und Gemeinwohl“ der Bertelsmann Stiftung
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